Im Liebfrauenhof in Schleiden sind regelmäßig die jungen Löwen los!
Montagmorgen 9.45 Uhr. Vier Schülerinnen und Schüler der 6. Klasse der Städtischen Realschule Schleiden schnappen sich jeweils ein von ihnen selbst ausgewähltes Buch. Sie machen sich fröhlich strahlend auf den Weg Richtung Liebfrauenhof. Heute dürfen sie als sogenannte Leselöwen gut 90 Minuten das Klassenzimmer gegen den Wintergarten auf dem Schlossberg – bzw. einen Raum im Bereich der Tagespflege – eintauschen.
„Oh, hoffentlich darf ich heute wieder neben Frau M. sitzen! Die ist immer so lustig und kann so viele Lieder singen,“ strahlt Lisa. „Meine Frau S. ist aber auch total nett,“ meint Ben. „Ok, aber sie beschwert sich auch gerne,“ gibt ein Mitschüler zu bedenken. „Mensch, wenn du die ganze Zeit im Rollstuhl sitzen müsstest, wärst du bestimmt auch manchmal schlecht gelaunt.“
Die Jungen und Mädchen marschieren ganz alleine und selbstständig in eine der zwei Beschäftigungsgruppen des Morgens und lesen nicht nur vor, sondern helfen mit beim Bingospielen, Kegeln oder Gestalten einer kleinen jahreszeitlich passenden Veranstaltung.
Spätestens beim Zusammenrechnen der Kegelergebnisse staunen die jungen Damen und Herren mit großen Augen wie umwerfend schnell manche der älteren Herrschaften die Zahlen zusammenaddiert haben – und zwar ganz ohne Taschenrechner oder Papier und Bleistift! Gut, dass das der Mathematiklehrer der Klasse die irritierten Gesichter seiner Lieben nicht sehen kann.
Besonderes Highlight ist jedes Mal der Rolliexpress zu Ende der gemeinsamen Zeit. Dann dürfen die Jungs und Mädels die älteren Herrschaften, die nicht alleine gehen können, in ihre Zimmer zurückfahren! Mit regen Gesprächen über die Erlebnisse des Vormittags und breitem Grinsen in den Gesichtern geht es zurück in den Unterricht.
Seit knapp 10 Jahren finden Schülerinnen und Schüler der Städtischen Realschule Schleiden regelmäßig – in dieser und anderer Form – den Weg in den Liebfrauenhof. Für Jung und Alt sind dies stets anregende Begegnungen mit nicht zu unterschätzendem Gewinn. Die Jungen trainieren ihre Vorlesefähigkeiten mit echter Funktion und erleben, wie über Texte und ihre Inhalte ganz unkompliziert Gespräche zustande kommen. Über die Begegnung mit den älteren Herrschaften denken sie über ihre eigenen Familien nach und berichten darüber. Sie trainieren, ohne es zu merken, den unvoreingenommenen Umgang mit Mitmenschen, die anders sind als sie selbst. Alles Selbstverständlichkeiten, möchte man meinen. Dem ist aber in einer zunehmenden Zahl von Familien eben nicht mehr. Umgekehrt ist der Besuch des jungen Gemüses für die Senioren nicht nur eine willkommene Abwechslung im Alltag, sondern ein echtes emotionales Highlight. Und damit sind Leselöwen und Co. ein Gewinn für alle Seiten.